Während der 3daysofdesign wird die ganze Stadt zur Ausstellungsfläche. In Geschäften, Showrooms, Dachwohnungen und öffentlichen Gebäuden zeigt sich, wie sich dänische Lebensfreude, jahrhundertealte Handwerkstraditionen und das sprichwörtliche skandinavische Qualitätsbewusstsein in Raum- und Möbelgestaltung spiegeln.





Von Farben, Formen und Frühlingswiesen
Formen, Farben und Materialien erzählen von Beständigkeit – und davon, wie eng Lebensart und Gestaltung miteinander verbunden sind. Auffällig sind die Farben: häufig leise Töne, aber dazwischen immer wieder starke Akzente – leuchtendes Grün, tiefes Himmelblau, zartes Rosa. Wie aus einer Frühlingswiese gepflückt, wirken sie frisch, natürlich, ungekünstelt. Die Natur ist spürbar präsent – draußen wie drinnen.
Dort, wo Wind und Wetter sich rasch ändern und das Licht im Jahreslauf so starke Kontraste bringt, scheint der Wunsch, in den eigenen vier Wänden Ordnung, Ruhe und Kontinuität zu bewahren, tief verankert.



Beständigkeit statt Trends
Die Geografie formt die Moderne mehr, als man vermuten würde. Modische Aufgeregtheit, lautes Design, jedes Jahr neue Formensprachen – das alles sucht man hier vergeblich. Dem ungeübten Auge mögen viele Stücke ähnlich erscheinen. Doch das liegt nicht an Einfallslosigkeit, sondern an einem tief verankerten Verständnis von Funktionalität, Materialgerechtigkeit und Formklarheit.
Ein gut gemachter Entwurf wird nicht leichtfertig verändert. Die Lust auf Innovation zeigt sich nicht in schrillen Neuerungen, sondern im stillen Perfektionieren.









Handwerk mit Haltung
Flache Bretter, feste Zapfen, die Pflicht zur sauberen Verbindung – all das prägt das nordische Design. Viele der Stücke kennt man noch aus der eigenen Kindheit. Möbel kommen von mobil – und sind hier vor allem praktisch und langlebig.
Die Kunst des Handwerks war und ist Maßstab jeder Gestaltung. Was gut gemacht ist, sieht aus, wie es aussieht – ohne Schnörkel, ohne Theater. Für uns in den Bergen, für uns katholische Feingeister, kann das herb wirken. Wie roher Hering auf einem Smørrebrød.





Ein Gespräch zwischen Stühlen
Freitagabend, Fenstertag. Ich sitze noch im Büro, die Kopenhagen-Fotos auf dem Bildschirm, als Sohn Johannes hereinkommt. Er ist seit Kurzem bei uns im Einrichtungshaus.
„Na, wie war’s in Kopenhagen? Gibt’s was Neues, das wir für unsere Tiroler Kunden nach Fügen holen sollten?“
„Weißt du, der Norden wirkt wie eine eigene Insel. Da bauen sie Sessel – vor allem Holzstühle – die sind wirklich gut. Gerd Bulthaup hat einmal gesagt, Sessel dürfen eigentlich nur aus Skandinavien kommen.“
„Und sonst? Gab’s irgendwelche Neuheiten oder erkennbare Trends?“
„Die ganze Stadt macht mit. Antiquitätenhändler, Galerien, Cafés – man sieht Glas, Porzellan, Leuchten, Büromöbel, Teppiche. Alles ist dabei. Aber vieles wirkt, als sei es in den glorreichen 50er- und 60er-Jahren stehen geblieben. Damals wurden – ausgehend von Schweden – ganze Designer-Generationen ausgebildet, oft auch von österreichischen Emigranten. Europa wurde förmlich überflutet mit nordischen Möbeln, einem neuen Stil, der mit den schweren alten Dingen aufräumte. Besonders im deutschsprachigen Raum war das wie ein Befreiungsschlag.“
„Und das hat so gut funktioniert, dass es bis heute weiterlebt?“
„Genau. Diese Modelle waren ausgereift, funktional, durchdacht. Und dann kamen die Italiener. Die wussten, wie man nicht nur Möbel, sondern ganze Stilwelten schafft.“
„Aber es gibt doch gerade wieder diesen Hype um skandinavisches Design, oder nicht?“
„Den gibt es, klar. Seit Jahren schon. Und die großen italienischen Marken haben längst reagiert. Sie haben erfolgreiche nordische Entwürfe in ihre Kollektionen aufgenommen – wie den Sessel Lee von Flexform oder Yoko von Minotti. Sie studieren das Wesen dieser Möbel und führen es weiter. Im Norden bleibt das Bewährte unverändert. Und jetzt raus, ich will das hier jetzt fertig schreiben.”




Die Leichtigkeit des Nordens
Über allem aber war die 3daysofdesign für mich ein Blick ins Fenster einer beneidenswert leichten Welt.
Die Dänen nehmen vieles lockerer als wir in Mitteleuropa. Unangestrengt, offen, unprätentiös. Und dieses Lebensgefühl ist ansteckend.
Es war, als würde die ganze Stadt den Sommer feiern – mit Musik, offenen Türen, kleinen Festen in Innenhöfen, Lichtern auf den Balkonen. Die Menschen wirken gelöst, verbunden, zugewandt.
Eine Gesellschaft, die Gemeinschaft lebt, ohne sich dabei selbst zu wichtig zu nehmen. Der Blick aufs Meer scheint auch den Geist zu weiten. Und die Farben – wie aus einer dänischen Frühlingswiese – leuchten im Juni heller als alles, was ich je gesehen habe.
Johannes kommt noch einmal ins Büro, sieht mich am Schreibtisch sitzen.
„Du sitzt ja immer noch am Computer?“
„Ja.“
„Mach’s kurz – kein Mensch liest heute noch lange Blogbeiträge.“
„Vielleicht. Aber gute Geschichten liest man immer.“
„Das meinst du (lacht). Das würde ich mal hinterfragen.“
Also: Was meint Ihr? Schreibt mir einfach – ich freue mich auf jedes Feedback:
martin@wetscher.com








































































