Möbelmesse in Bella Milano. Wie jedes Jahr ist da vorher dieses Lampenfieber, ein Kribbeln wegen dieses wichtigsten Events im Einrichtungs-Jahreskreis. Viele große Marken, Fabrikanten, Händler- und Verbandskollegen, Designer, Architekten, Trends, Termine, Erwartungen und Ziele.
Eine solche Messe – samt den unzähligen Veranstaltungen in der Stadt – ist natürlich nicht nur Show für produzierte Neuheiten, sondern auch der Treffpunkt der Branche. Jedes Jahr aufs Neue kommt man mit vielen neuen Impulsen, mit Motivation und der Bestätigung nach Hause, im schönsten aller Berufe zu sein.
Und heuer ist es ganz besonders: Mein Sohn Maximilian begleitet mich, ist zum ersten Mal in offizieller Mission mit dabei. Was für eine Freude, was für ein Stress! Vater und Sohn, wir sind ein Team.
Bei nicht wenigen großen Möbelmarken hatte sein Großvater mit dem Großvater jenes Mannes zu tun, der uns jetzt gegenübersteht. Das schafft Vertrauen. Wir sind als kleines Tiroler Unternehmen hier in Mailand zu einer echten Marke geworden. Jahrzehnte der Zusammenarbeit.
Heute aber geht es um die Trends der Saison, um die Neuheiten und Entwicklungen, ums richtige Erkennen, was von dem so schnell wieder verschwindet wie es gekommen ist und was sich zum echten Stil mausert – was bleibt. Es geht um den Blick fürs Schöne. Und naturgemäß sehen Vater und Sohn diese Stadt, die vielen neuen Farben und Designs aus doch sehr unterschiedlichen Perspektiven. Die Aufgabe besteht darin, den Blick festzuhalten, vieles von dem mitzunehmen nach Hause, gebannt auf Foto und Film – jeder mit seiner eigenen Kamera.
Am Abend sichten wir das Material, bearbeiten erste Bilder. Es ist fast 21 Uhr, wir kommen aus dem Baxter Cinema, dem angesagtesten Ausstellungsevent für Kunden mit „Reinlass-Rauferei“ für Nichtkunden. Von Möbeln ist nicht mehr viel zu sehen. Das fantastisch lange Clubsofa in angesagtem Braun ist jetzt nur mehr mit Publikum abzulichten. Kurz vorher gelingt noch ein schönes Bild vom über dem alles in dieser Stadt formal erhabenen Duomo.
Wir schneiden die kurzen Videoclips, versenden versprochene Trendbilder. Ist es schon sichtbar, jenes unsichtbare Band, das alle diesjährigen Formen, Farben & Materialien verbindet? Jener gemeinsame Nenner, der Jahre später als eindeutiger Zeitstempel vielem jetzt so hippen anhaften wird? Durchs offene Fenster dringt das Klappern von Besteck und Geschirr, das Lachen und die lauten Gespräche der Barbesucher zu uns herauf. An Essen ist jetzt nur zu denken.
Ich kann kaum glauben, was Max gesehen und mit Fotos und Videos festgehalten hat. Wir waren doch auf derselben Messe. Haben, so dachte ich, Ähnliches betrachtet. Wenn ich die Bilder von Max sehe, ist da aber plötzlich so viel Neues, Jugendliches. Die Kamera ist zum Spiegel der eigenen Wirklichkeit geworden, seiner und meiner. Wir beide lieben Möbel, teilen dieselbe Leidenschaft, haben über große Teile sogar dieselbe Ausbildung. Trotzdem ist der Blick ein anderer, muss ein anderer sein. Es ist der Beginn einer anderen Generation und damit einer neuen Geschichte…