Paris, die Stadt der Liebe, des absoluten Stils und der heißesten Trends! Ideal für ein langes Wochenende voller Vorfreude auf den Besuch der Einrichtungsmesse Maison et Objet, der Paris Design Week, der neuen, angesagten Wohnboutiquen– ein paar Tage bestückt mit Einrichtungstrends, neuen Atmosphären, Farben, individuellen Kombinationen. Auf der Suche nach dem ganz persönlichen Stilmix und jenen Dingen, die unbedingt mit hier nach Tirol müssen.
Paris – Anfang September
Von meinem Lieblingsviertel Rive Gauche, so zwischen Rue du Bac, dem Boulevard Saint-Germain, führt mich der erste Weg in den „Jardin du Luxembourg“. Die kühle Nacht und die ersten Blätter auf dem Trottoir kündigen untrüglich den Herbst an – jene Jahreszeit, wo man wieder nach drinnen wechselt. Voller Vorfreude hinein in die Stadt und auf die Messe, um den Puls, die Trends aufzunehmen und zu schauen, welche Farben, Formen, Materialien und Möbel den Ton angeben werden.
Und schon jetzt weiß ich: Vorbei sind die Zeiten der eindeutigen Stile, jener Einrichtungen, denen man noch einen eindeutigen Stil zuordnen konnte. Heute ist ein Mix angesagt, ein Mix aus allen Zeiten und Kulturen. Üppig, romantisch und ein wenig mit jener Fin de Siècle Dekadenz, die von fehlender Zuversicht genährt wird.
Stilmix – zwischen Einst und Jetzt
Vorbei, vorbei, vorbei also diese eindeutig zuordenbaren Wohnstile, jetzt ist Stilmix angesagt. Aristokratisches Rosa, Grün in allen Tönen und ein Wald von großblättrigen Pflanzen.
Luxus bis zur Grenze der Unvernunft, edles Handwerk, Glanz und Glitzer, der Plastik-Trend aus den 60iger Jahren, Klassik und die funktionale Optik des Maschinenzeitalters, Sinnlichkeit und morgenländische Exotik neben Schwarz & Weiß, einer strengen Geometrie und wie immer viel Natur. Kupfer, Messing, edle Steine und andere kostbare Materialien.
Licht und Leuchten
Und wirklich alles war schon einmal da. Der Retro-Geist feiert einen Höhepunkt. Und Licht, das aus sichtbar handgeblasenen Glasgloben leuchtet oder aus kleinen, quadratischen Öffnungen einer Messingröhre strahlt – Licht übernimmt die dirigierende Rolle im Innenraum. Verspielt, gestalterisch als Kerzenlicht oder als technisches Licht in schmalen Diodenbändern, die Raumkanten schärfen oder schwere Kuben schweben lassen. Auch hier ist das Ziel, die Gemütlichkeit, die Stimmung für unterschiedliche Tageszeiten und Bedürfnisse herzustellen.
Tapeten und neue Realitäten
Fix ist auch wieder die Tapete für innen und für außen mit Struktur, Ornament, Grafik oder einem täuschend echt wirkenden Foto. So wird schon einmal der schmale Wandstreifen hinter dem Ruhesessel im tiefen 3D-Druck zur optischen Bücherwand. Und Grafik ist wieder da, endlos sich wiederholende, kleine, scharfkantige Muster. Schachbrettartig, zu einfach und zu banal, um als Ornament bezeichnet zu werden.
Einen roten Faden – Gemeinsamkeiten von Farbe, Stil oder Produktidee – sucht man in diesem Durcheinander vergeblich. Der Mix und das jetzt gleichzeitige Nebeneinander so vieler Stile und Epochen ist neu.
Wo ist das Design geblieben?
Vorbei auch der reine Designpurismus – weiße, scharfkantige Möbel, etwas schwarz, alles zu glatt und insgesamt zu wenig, um irgendeine Atmosphäre aufkommen zu lassen, die den Namen „Zuhause“ verdienen würde. Heute heißt es mit dem Reichtum der Materialien, mit den neuen Verarbeitungstechniken umzugehen. Stoffe, Decken, Felle, Kissen, Samt & Seide, Glas und Metall, Stein & Holz werden handwerklich wie maschinell zu neuen Kostbarkeiten kombiniert.
Die Räume, in denen wir leben, sind höchst persönlicher Schutzanzug, aber auch Spiegel unserer Zeit. Heute zeigen sie keine linearen, berechenbaren Lebensläufe oder Fortsetzungen des immer Gleichen, sondern Menschen mit all ihren Facetten, mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen. Menschen mit Brüchen. Menschen, die viel mehr wissen und kennen und auch schon überall gewesen sind. Unsere Wohnungen werden zu Wunderkammern, ein Abbild unseres Lebens mit Kostbarkeiten und Besonderheiten, mit Exotischem und Banalem. Der rote Faden ist der Bewohner selbst.
Was fehlt, sind jene mutigen, konsequent modernen Neuheiten, die nur in einer Zeit voller Zukunftsglauben, einer Zeit unerschütterlicher Zuversicht entstehen. Heute scheint uns die Welt aus den Fugen. Zu vieles ist täglich neu, befremdend, macht uns Angst. Wir retten, wir stürzen uns ins Gewohnte, ins Bekannte. „I know what I like, and I like what I know“ , ließ mich ein schlauer, weitgereister Bekannter letzte Woche wissen. Was bleibt ist, dass wir uns heute eher mit Bekanntem zurechtfinden.
Wie entwickelt sich das weiter?
War da wirklich gar nichts Neues im großen Reich des Kaisers „Retro“? Oder ist bei genauem Hinschauen ein kleines Pflänzchen – ein gallisches Dorf, das sich standhaft gegen diese Opulenz verwehrt – sichtbar? Es zeigt sich eine neue Bescheidenheit, zu der sich eine junge, kreative Szene hingezogen fühlt. Jene, die früher dem Design und der Leere gefrönt haben, setzen jetzt auf Einfachheit. Das Spiel mit Vorhandenem. Eine Poesie aus Authentizität und „Used“. Urban, oder aber mit Einflüssen eines reduzierten Landhausstils. Selbstbewusst – eine ganz neue Mischung aus Alpinem und Nordischem. Farblich gedeckt und mit unbehandelten Materialien. Gemütlich, stimmungsvoll und unaufdringlich.
Insgesamt steht da jetzt weniger im Raum, reduziert und für sich, um mehr Klarheit und Ordnung in diese neue Gemütlichkeit zu bringen. Dieser Stil tritt in Oppositon zur Fülle, kein dekoratives Chaos, sondern Klarheit, Licht und sinnliches Material.
Lieblingsplätzchen
Für mich persönlich heißt es jetzt im Herbst, mein sonniges Plätzchen nach innen zu verlagern. Es ist die Zeit der Veränderung. Positionswechsel, die neue Perspektiven provozieren. Der Blick auf das Innen schärft sich, macht Wünsche deutlich und macht Lust auf Veränderung. Jetzt heißt es den Liegestuhl mit einem tollen, neuen Relaxsessel zu tauschen, internationales Design, ein Klassiker – vielleicht mit österreichischem Lodenstoff, um dem Überflieger Wurzeln zu geben. Und daneben Ablagen für Bücher, Zeitschriften, Tablet. Ein neuer Teppich, eine Einzigartigkeit, aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt mit dem Ausdruck des Kostbaren. Als Kontrast zur alpinen Kargheit. Und die Freude auf eine neue Leuchte – mit einer Handvoll Funktionen, die mein Plätzchen in eine einladende Gemütlichkeit taucht und beim Lesen und Arbeiten ein tolles Induktionslicht bietet.
Das war Paris, der Herbst kann kommen.